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Schöne neue Welt

Schöne neue Welt

Was von der Utopie noch bleibt?

Inzwischen 90 Jahre ist es her, dass der Roman Schöne Neue Welt von Audrey Huxley erschien und noch sind es 518 Jahre hin bis der Zeitraum der Handlung erreicht ist. Doch in der Gegenwart zählt der Roman zu den Klassikern der Zukunftsromane und ist die Quelle vieler Sci-Fi-Elemente die wir aus andern Romanen und Filmen kennen. Doch nicht nur in diesem Genre hat Huxley seine Spuren hinterlassen, sondern auch in Bereichen die auf den ersten Blick nicht auf einen Romanursprung schließen lassen, aber dazu mehr.

Setting

Dein Handlung ist bei diesem Roman recht einfach und das eigentlich spannende ist die Welt die wir dort vorfinden. Ähnlich wie in Tarzan wird im Roman ein Wilder gefunden, der dann zurück in die Gesellschaft gebracht wird, dort seine Schwierigkeiten hat und schließlich an ihr scheitert. Doch welche Gesellschaft ist dies, die ihn scheitern lässt?

Die Gesellschaft in Schöne Neue Welt unterscheidet sich deutlich von der unseren und doch gibt es einige Parallelen die den Roman sehr aktuell machen. Gleich am Anfang wird schon eine der großen Unterschiede eingeführt, nämlich das es die traditionelle Familie nicht mehr gibt. Durch Eugenik werden die Menschen in dieser Welt in der Flasche erzeugt und von dort auch geboren. Vater und Mutter gibt es nicht mehr und diese beiden Wörter sind dadurch auch zu obszönen Worten verkommen. Doch schon während die Föten in den Flaschen reifen, werden sie auf ihre zukünftige Rolle in der Gesellschaft vorbereitet. Da gibt es die Alpha-plus Menschen die ganz normal im Reagenzglas gezeugt werden, ebenso wie die Beta Klasse. Die restlichen Klassen in der Gesellschaft, Delta bis Epsilon-Minus, erfahren eine harte Behandlung und sind auch bis zu einer gewissen Größe auch Klone. Die Eizellen der Klone werden durch harte Röntgenstrahlung zum Knospen gebracht um so die Klone zu erschaffen. Diese werden dann auch noch Alkohol und Sauerstoffmangel ausgesetzt, so das sie kleiner sind und auch geistig klein gehalten werden. Den wozu, so der Roman, sollten Menschen die den ganzen Tag in der Fabrik arbeiten schon großen denken müssen.

Nach der Geburt beginnt das die Konditionierung der Kinder entsprechend ihrer Klasse. Ob im Schlaf durch Hynopädie, die Stromschläge oder auch positive Reizsetzung werden ihnen verschiedene Muster ins Hirn gebrannt. Ihnen wird die Angst vor dem Tod abtrainiert und der Leitspruch eintrichtert »Jeder gehört jedem«. Menschen werden, gerade in den niedrigen Klassen bestellt, wie Maschinen. Allgemein wird ihnen auch das Bedürfnis nach Konsum und Unterhaltung vermittelt, so das sie ihre Bedürfnisse schnell befriedigen können. Wenn es jemanden schlecht geht steht hierfür die Droge Soma zur Verfügung, die je nach Dosierung eine gute Stimmung macht oder auch auf einen langen Trip schickt, natürlich ohne die Nebenwirkungen von heutigen Drogen.

Sex gibt es nur noch zum Vergnügen und promiskuitiv zu sein wird erwartet, da auch Monogamie etwas schlechtes darstellt und dem Anspruch des Staates zuwider läuft.

Technisch und kulturell gibt es ebenso eine negative Entwicklung. Zwar gibt es in der Eugenik technischen Fortschritt, doch nicht alles wird umgesetzt, weil es das Gleichgewicht im Weltenstaat gefährden würde. Diesem Prinzip wird alles unterworfen und wissenschaftliche Entdeckungen oder auch entsprechende Arbeiten werden verboten, weil diesem Prinzip zuwider laufen. Große Einschnitte gibt es auch im kulturellen Bereich, in dem alle Bücher vor dem Jahr 150 nach Ford (n.F.)

verboten sind. Diese existieren nur noch teilweise in den Tresoren der Weltcontroller, einer Hand voll Menschen die die Geschicke der Welt bestimmen.

Aus religiöser Sicht wurde Gott abgeschafft, weil er nicht mehr benötigt wird, in einer Welt die keine Erlösung und Leid mehr braucht. Statt dessen wird der Industrielle Henry Ford gottähnlich verehrt. Auch die Zeitrechnung hat sich auf seine Art angepasst und so befindet sich die Welt in der Zeit nach Ford. Das Jahr null ist hier nicht mehr die Geburt Jesus, sondern der Start der Produktion von Modell T im Jahre 1908, unserer Zeitrechnung.

Im Jahre 2048 gab es in dieser Welt einen großen neunjährigen Krieg, nach dessen Ende die heutigen Prozesse begannen und eine Weltregierung eingesetzt wurde, die vor allem das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage erhalten soll. Fördert es nicht den Konsum, so ist es verboten.

Gesellschaftliche Wirkung

Doch was macht diesen Roman für die heutige Zeit so aktuell, wo er doch etliche Jahre in der Zukunft spielt? Natürlich ist dieser Roman auch ein Spiegel seiner Entstehungszeit und zeigt das analytische Denken von Huxley wie sich die damalige Welt weiter entwickelt.

Obwohl einige wissenschaftliche Entdeckung schon ihren Schatten vorauswarfen, finden sie in den Roman keinen Eingang, etwas was auch Huxley im Nachgang etwas bedauert. Prominentes Beispiel ist die Kernkraft, die in den 30er-Jahren bekannt war ab nicht im Roman vorkommt. Der erwähnte neunjährige Krieg ist daher vor allem ein Massenvernichtungskrieg mit biologischen und chemischen Waffen, wie es im 1. Weltkrieg der Fall war.

Die sexuelle Freiheit wie im Roman beschrieben, ist trotz der sexuellen Revolution bei weitem nicht so weit, auch wenn dies manche Konservative anders sehen würden. Wichtig ist in diesem Bereich auch zu sehen dass die im Roman beschriebene Freiheit der Sexualität eine heterosexuelle ist. Themen wie Trans-, Inter- oder Homosexualität kommen nicht vor, auch oder gerade weil Sex von der menschlichen Reproduktion entkoppelt wurde.

Ein Bereich der zum Entstehungszeitpunkt noch nicht existierte, aber auch ein wenig fraglich ist wie stark er wäre, ist der Bereich der elektronischen Datenverarbeitung. Obwohl nicht explizit erklärt wird die die Weltcontroller sich austauschen, Raktenflugzeuge funktionieren oder auch Fühlfilme entstehen, ist der Platz den dieser Bereich einnimmt doch deutlich zu spüren. Nur wenn dieser Bereich dem Gleichgewicht nicht im Wege steht kann er genutzt werden. So wäre zwar ohne weiteres eine weitere Automatisierung der Wirtschaft möglich, aber wie auch genannte Experimente im dem Roman nahe legen, stören diese das Gleichgewicht und sind somit verboten.

Ein unrühmlicher Bereich aus dem Roman beschäftigt allerdings schon heute unseren Gesellschaft. In dem Roman werden verschiedene Menschenklassen beschrieben die höhere Arbeiten oder entsprechend einfache Arbeiten verrichten müssen. Auch der soziale Rang ist entsprechend dieser Klassen in der Alpha die höchste repräsentiert und Epsilon die niedrigste. Vermutlich ist die Parallele zur heutigen Debatte über Alpha- und Beta-Männer unwissentlich, aber doch deutlich zu sehen. Und obwohl einige heute versuchen die Einteilung zu propagieren und als endgültig darzustellen, funktioniert dies glücklicherweise noch nicht so wie die Indoktrinierung im Roman, wo diese durch Hypnopädie geschieht und alle Klassen glücklich sind nicht zu einer anderen Klasse gehören und das auch überhaupt nicht wollen.